„Kaum zu glauben, wie viele Tiere uns bei unserem Rundgang durch das Museum Schnütgen begegnet sind“, schreiben die Theolog*innen Thomas Ruster, Simone Horstmann und Gregor Taxacher im Vorwort zu ihrem Buch „Krallen, Federn, Drachenblut“, das sie am 26.11.24 im Greven Verlag vorstellten. Und manches offenbart sich nicht auf den ersten Blick. „Oft muss man zweimal hinschauen. Denn nicht nur auf den Bildwerken sind sie zugegen, auch aus den Kapitellen lugen sie hervor, seltsam miteinander und mit Pflanzen und menschlichen Gestalten verschlungen. In den Schnitzwerken der Chorgestühle haben sie ihren Ort, das fromme Tun derer, die dort einmal gebetet haben, auf lustige oder ironische oder sarkastische Weise karikierend.“
Museum Schnütgen/Stephan Kube/SQB
Das neue Buch „Krallen, Federn, Drachenblut“ erkundet, wie Tiere in diesen Darstellungen zu Trägern theologischer und moralischer Botschaften wurden – und warum sie uns heute noch faszinieren. Gregor Taxacher: „Unser Buch führt drei unterschiedliche Themen zusammen – es ist gleichermaßen ein Kunst-, ein Tier- und ein theologisches Buch.“
Mit Blick auf aktuelle Debatten über das Verhältnis von Menschen und Tieren regt es dazu an, über die Symbolik und Bedeutung dieser Kunstwerke nachzudenken – und ihre zeitlose Kraft zu erkennen. Menschen behandeln Tiere heute wie eine Sache, über die wir frei verfügen können, etwa um sie zu melken, mit ihnen zu kuscheln oder sie industriell zu töten und zu verspeisen. In früheren Zeiten war dies anders: Menschen hatten Respekt – und zuweilen aus guten Gründen sogar Angst – vor wilden Tieren. Sie wurden wahrgenommen als Geschöpfe Gottes – oder als eigene Subjekte. Ruster dazu: „Das Verhältnis von Mensch und Tier ist nicht ein für allemal festgeschrieben, sondern unterliegt einem kulturellen Wandel. Wir müssen uns heute fragen, ob wir Tiere so selbstverständlich für unsere Zwecke nutzen können“.
Die meisterhaften Aufnahmen von Stephan Kube lassen die Werke lebendig werden und holen die mittelalterliche Mythologie in die Gegenwart. Sie zeigen Details, die Betrachter oft übersehen, und verstärken die Verbindung zwischen den damaligen Botschaften und heutigen Fragen nach Ethik und Schöpfung.
Die Theolog*innen Thomas Ruster, Simone Horstmann und Gregor Taxacher arbeiten seit Jahren an einer „Theologie der Tiere“. Mit ihrem tiefen Verständnis erschließen sie die Welt der mittelalterlichen Tierdarstellungen und stellen die Frage: Was sagt uns diese Kunst über Menschen, Tiere und Schöpfung damals – und heute?
„Krallen, Federn, Drachenblut“ ist nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch und haptisch ein Erlebnis: Prächtig gestaltet, mit einem edlen Leineneinband und einem kunstvollen Schutzumschlag, wird es zu einem Schmuckstück für jedes Bücherregal. Der brillante Druck auf hochwertigem Papier unterstreicht die Detailfülle der Fotografien und macht dieses Buch zu einem wahren Genuss – ein Werk, das man immer wieder zur Hand nehmen möchte.
Thomas Ruster, Simone Horstmann, Gregor Taxacher (Text) | Stephan Kube (Fotos): „Krallen Federn Drachenblut – Tiere in der Kunst des Mittelalters“, Leinen mit Schutzumschlag, 160 Seiten, 40 Euro
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