Wenn ich an Roboter denke, haben sie mit der Zukunft zu tun. Es ist die Science-Fiction-Welt aus Büchern, Filmen und Games, die mir in den Sinn kommt, oft verbunden mit dem wohligen Schauer über eine irreale und weit entfernte Zukunft – und während ich das schreibe, spielt meine Alexa „Sound of Silence“ und im Nachbarraum geht ein Saugroboter seiner Tätigkeit nach. Die Zukunft hat bereits begonnen. Roboter sind heute nicht mehr aus Industrie und Medizintechnik wegzudenken und auch unseren Alltag werden sie künftig mitgestalten. Es ist an uns, einen Umgang mit ihnen zu finden. Was werden uns diese Roboter bedeuten, wer werden wir sein, was werden sie für uns sein und wie werden wir, generationsübergreifend, mit ihnen leben?
Das Künstlerkollektiv DIPHTHONG geht diesen Fragen in ihrem Tanzstück ANTHROBOT nach. Wir sind eingeladen die WG zweier menschlicher MitbewohnerInnen aus zwei Generationen (12 und 65 Jahre) und eines Roboters zu betreten. Es handelt sich um eine eigenständig begehbare und entdeckbare Welt, in der wir uns frei bewegen und dem Zusammentreffen der drei Protagonisten zusehen. Der Roboter verfügt über ein Eigenleben: er kann sich bewegen, auf Impulse reagieren und selbst Impulse produzieren. Es wird interessant sein, wie zwei unterschiedliche Menschen mit ihm interagieren, mit ihm arbeiten, ihn gebrauchen, mit ihm spielen, lachen und tanzen. Wird der Roboter dabei trennend, verbindend, vielleicht sogar vermittelnd für die menschliche Beziehung sein können?
Im Interview Stephanie Felber und Nikos Konstantakis:
Ihr beschäftigt euch in euren Stücken mit gesellschaftlichen Strukturen und menschlichen Beziehungen. Ein Roboter ist kein Mensch. Was interessiert Euch an ihm?
Stephanie: „Aus unserer Sicht wird die Interaktion zwischen Menschen und Technologie immer aktueller. Bei der Interaktion mit einem Mobil-Telefon wirkt dieses schon fast wie ein verlängerter Arm und auch die Robotik ist immer mehr in unserem Alltag angekommen. Von dem Gebrauch in der Industrie bis hin zum privaten Staubsauger. Auch werden Roboter immer mehr in der Dienstleistung oder Pflege eingesetzt und kommen somit in eine direkte Interaktion mit den Menschen. Dieser „neue“ Umgang, die Internierung von Roboter in die Gesellschaft, die unterschiedlichen intuitiven Auseinandersetzungen zwischen Mensch und Maschine innerhalb verschiedener Generationen interessiert uns.“
Nikos: „Das ist genau die Frage. Kann ein Roboter, der nicht wie ein Mensch aussieht, also kein humanoid ist, die menschlichen Bedürfnisse erfüllen? Was ist eine menschliche Beziehung? Wenn ein Roboter die Qualifikationen hat, könnte er in der gesellschaftlichen Struktur funktionieren? Natürlich mit Fokus auf Bewegung und Körperkontakt und körperliche Bedürfnisse, da wir ein Tanzstück machen.“
Wenn es um die Beziehung Mensch/Roboter geht, was erwartet ihr, wie diese künftig sein wird?
Stephanie: „Wir könnten SI-FI Filme als Ideologie nehmen, ein Cyborg Szenario. Wir denken, dass die Beziehung, Mensch und Roboter immer näher in unseren Alltag rückt und uns in verschiedenen Formen begleiten wird.“
Nikos: „Diese Beziehung gibt es schon im Alltag. Bewusst und unbewusst. Der Algorithmus und die Daten sind sicher die neue Religion und mit der Hilfe der Roboter können wir mehr schaffen. Am Ende wir aber immer die menschliche Entscheidung gewinnen.Ich erwarte nichts, ich erfürchte nichts, ich bin frei (N. Kazantzakis)“
Glaubt ihr, dass Roboter irgendwann Mitglieder unserer Gesellschaft sein werden?
Stephanie: „Ja, wenn sie es nicht bereits an unterschiedlichen Stellen sind.“
Nikos: „Denke ich auch.“
Der Roboter auf der Bühne wird mit den Darstellerinnen interagieren und sogar tanzen. Wie kamt ihr auf die Idee, einen Roboter tanzen zu lassen?
Stephanie: „Unser stetiges Interesse innergesellschaftliche Dynamiken und deren Auswirkungen auf zwischenmenschliche Beziehungen künstlerisch zu erforschen, hat uns dazu geführt, hinterfragen zu wollen welche Vermittler-Rolle Technologie in zwischenmenschlichen Beziehungen spielen kann und wie wir innerhalb einer Tanzperformance Begegnungen zwischen Menschen im Kindes- und Seniorenalter und einem Roboter ausloten können. Der Reiz einen Roboter zu choreografieren und eine daraus resultierende unterschiedliche Herangehensweise und Ästhetik zu hinterfragen, war zudem ein Ausgangspunkt für die Idee dieses Projekts.“
Nikos: „Die Hauptfrage ist, was überhaupt Tanz ist. Bewegung auf Musik kann man am Roboter problemlos programmieren. Auch andere Interaktionen, kann der Roboter nach Programmierung ausführen. Ist das dann aber schon Tanz? Können die Körperteile des Roboters wirklich tanzen? Wird dieser Tanz uns dann emotional berühren?Und können das Kind und die ältere Tänzerin was damit anfangen, etwas daraus entwickeln? Die Herausforderung ist eben auch, dass der Roboter kein Humanoid ist. Wir denken aber immer an humanoide Roboter, wenn wir von ihnen sprechen, doch die gibt es noch nicht wirklich, aber alle anderen Roboter sind schon in unserem Leben präsent. Wir wollen es nur nicht wirklich wahrhaben. Deswegen macht genau dieser industrielle Roboter den Prozess sehr interessant. Er öffnet unseren Blick auf die bereits vorhandene Realität.“
Woher stammt der Roboter?
„Oden UR3e Roboter-Arm wird von der Firma Universal Roboter hergestellt und vertrieben. Sein Arbeitsplatz ist meistens räumlich beengt, wie Werkbänke oder direkt in Maschinen. Das Zuhause unseres Performance-Roboters ist nun das KISD (Köln International School of Design/Technische Hochschule Köln).“
Was denkt ihr, werden die Zuschauer aus dem Stück mitnehmen?
Stephanie: „Einen Tanzperformance-Abend und Impulse zum Nachdenken über:
- Mensch/Maschine Beziehungen
- Inwieweit Roboter bereits in unserem Alltag sind (und wir dies vielleicht gar nicht bewusst bemerken?)
- Wie der Roboter in Verbindung zu unterschiedlichen Generationen steht und diese auf unterschiedlicher Weise interagieren“
Nikos: „Man kann für einen Roboter Emotionen und Gefühle entwickeln. Aus Gefühlen bauen wir unsere BeziehungenVielleicht denken wir nach der Performance anders über Kinder, älteren Menschen und Robotik.“
Das Interview führte Ines Langel.
Ort: Kunsthafen, Bayenstr. 28, 50678 Köln
Termine:
- 01.12.2023, 20 Uhr
- 02.12.2023, 20 Uhr
- 03.12.2023, 11:00 & 18:00 Uhr —> mit Audiodeskription
Produktion: DIPHTHONG
Zusammenarbeit: Köln International School of Design/Technische Hochschule Köln.