Verstärker surren, die Klimaanlage läuft, die letzten Scheinwerfer werden auf Position gebracht und gleich wird man das leise Murmeln des heutigen Publikums vernehmen können. Leise Einlassmusik, vorfreudige Lacher, gute Laune und eine entspannte Grundstimmung ist zu spüren. Der Soundcheck lief problemlos und glatt, die Setliste klebt neben dem Bühnenmonitor und alles ist „auf Anfang“.
Ich liebe diese knapp zwei Stunden zwischen „Ankommen an der Location“ und „Show“. Schon morgens beim Frühstück freue ich mich auf das abendliche Konzert und den Laden, der für ein paar Stunden mein Zuhause sein wird. Backstageromantik steht bei mir ganz hoch im Kurs. Ich versuche, es mir immer schön zu machen. Dazu gehört für mich in erster Linie Musik. Also packe ich meistens direkt nach der Ankunft in der Garderobe meine kleine Bose-Box aus und schmeiße die Musik an. Ganz oft ist es Johnny Cash, bei den letzten Shows waren es die Stones oder Zucchero, heute ist Eric Clapton mal wieder dran. Das karierte Hemd baumelt an der Garderobe, meinen Bühnenhut habe ich nochmal frisch gebürstet und meine Knöpfe fürs Ohr liegen auch bereit. Gleich nochmal final die Gitarre stimmen, und dann kann es endlich losgehen.
Während ich hier so in den Spiegel schaue, der umrahmt ist von unzähligen Autogrammkarten der Künstler, die in den letzten Jahren hier auf der Bühne standen, schweifen meine Gedanken ab. Ich sehe tatsächlich eine solche Karte von mir, die ich vermutlich bei einem meiner ersten Gastspiele vor knapp zwanzig (!) Jahren hier hingehängt habe.
Foto: Björn Heuser
Wow, da war ich noch ganz schön jung. Und hatte Haare. Vor allen Dingen aber hatte ich absolut keinen blassen Schimmer, was mich in meinem Leben noch erwarten würde. Dass dieses Leben, was ich mir damals schon immer erträumt habe, wirklich wahr werden sollte.
Je länger ich die Karte anschaue, desto mehr fällt mir zu dieser Zeit ein. Dieses Theater hier war die erste Location dieser Art, die ich überhaupt jemals bespielen durfte. Der erste Laden mit echter Bühne, Künstlergarderobe und Stuhlreihen. Bis dato kannte ich nur Kneipen, kleine Brauhäuser und Omas Geburtstagsparties. Dort spielte ich oft bis tief in die Nacht, fand kein Ende, hatte dauernd Gläser ohne Boden und kam am nächsten Morgen kaum aus dem Bett. Und jetzt sollte ich plötzlich pünktlich um 20 Uhr beginnen und um 22 Uhr fertig sein? Das auch noch mit Pause? Mist! Jetzt musste ich mir wirklich Gedanken machen, was ich spiele, und sowas wie ne Setlist entwerfen. Und das bei geregelter Arbeitszeit. Krass.
Ich war ziemlich nervös, als das Licht ausging, die Leute erwartungsvoll klatschten (ich glaube, es waren um die zwanzig an der Zahl für 5 Euro Eintritt) und ich ziemlich schüchtern rausging. An die Show selbst habe ich kaum noch Erinnerung. Aber es war der Beginn einer neuen Leidenschaft, einer Ära und einer Verbundenheit, die bis heute anhält. Zum Glück sind die Shows seit einigen Jahren stets restlos ausverkauft hier. Und auch sonst ist es erstaunlich, was sich so getan hat. Wie viele Alben seitdem entstanden sind, wo ich überall schon spielen durfte, welche wahnsinnigen Größenordnungen dabei waren, und welche Erfahrungen damit einher gehen.
Tja, und jetzt sitze ich hier, schaue diese alte Autogrammkarte an, und kann mir ein zufriedenes Lächeln nicht verkneifen. Hätte der junge Mann auf dem Foto damals gewusst, wie es alles so kommen wird, hätte er es genauso durchgezogen? Mit all den schönen aber auch schmerzlichen Seiten des Jobs?
Ich glaube schon. Denn dieser Job ist für mich mehr als ein Job. Es ist ein Privileg und alles andere als selbstverständlich, dass ich das alles so erleben darf.
Bevor ich gleich rausgehe, signiere ich eine ganz neue Autogrammkarte und hänge sie unter den jungen Mann, der ich mal war. Die Haare sind deutlich grauer, das Gesicht runder und die Augen haben eine ganze Menge gesehen in den letzten zwanzig Jahren. Auf Manches davon hätte ich gerne verzichtet. Aber das Feuer für die Musik brennt noch immer lichterloh.
Das Murmeln wird lauter, gleich geht’s los. Op ne schöne Ovend!
Üre Björn
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