Sonntagabend, 1. Oktober 2023, 18:06 Uhr. Das Licht in Kölns größter Veranstaltungshalle, der LanxessArena, geht aus. Auf dem großen Würfel über der Bühne erscheint der überlebensgroße Hans Süper, im Hintergrund erklingt der Song „Leeven Häns“, den ich ihm 2017 zum Geburtstag geschrieben und geschenkt habe. Tränen kullern, 15.000 Menschen gedenken einem der größten Kölner mit Herzenswärme und großem Respekt.
Nach der Videoeinspielung wird es wieder stockdunkel in der Arena. Ein Herzschlag erklingt. Aus dem Off moderiert Lukas Wachten mich gekonnt emotional an. Er nennt meinen Namen. Applaus brandet auf. Jetzt gibt es kein Zurück mehr. In den nächsten knapp drei Stunden kann ich das ausleben, was ich so sehr liebe. Ich spiele den ersten C-Dur-Akkord auf meiner Gibson-Gitarre und spüre sofort: Dieser Abend wird legendär.
Es ist schwierig zu beschreiben, was so eine Show wie „Kölle singt“ mit mir macht. Es laufen so unfassbar viele Bilder vor meinem inneren Auge ab. So viele Filme, so viele Erinnerungen – und gleichzeitig muss ich absolut frisch im Jetzt sein, weil es sehr viele Dinge gibt, die ich nicht vergessen darf und perfekt rüberbringen will. Alleine die Laufwege! Ich habe insgesamt sechs Spots, von denen ich aus singe, um wirklich nah bei den Leuten zu sein. Ein Mikro an einem festen Standort reicht mir nicht, am liebsten wäre ich mittendrin. Und so laufe ich gut 20.000 Schritte im Rahmen der Show. Aber auch die Moderationen müssen sitzen, genauso wie die Ansagen für die wieder mal unfassbar tollen Gäste. Die Songtexte habe ich nach einer ausführlichen Probenwoche sowieso verinnerlicht, und ich gebe gerne zu, dass ich auch mal in den Rundlauf spinkse, wo die Texte fürs Publikum mitlaufen. Auch wenn ich die große Arena-Show schon zum siebten Mal auf die Bühne bringe, ist es alles andere als „normal“ oder routiniert. Ich genieße wirklich jede Sekunde, jeden Moment, jeden Ton und jeden Applaus.
Vor allem sind es die vermeintlich ganz kleinen Dinge, die „Kölle singt“ für mich so groß machen. Die Familie im Unterrang, die offensichtlich zu vier Generationen angereist ist, sich prächtig amüsiert und gegenseitig anspornt zu singen: Opa flippt bei „Heidewitzka, Herr Kapitän“ aus, das Enkelkind eher bei „Et jitt kei Wood“. Zuckersüß! Dann die Mädelsgruppe im Innenraum, die offensichtlich lange auf den Abend hingefiebert, und extra Kostüme entworfen hat. Wahnsinn! Die junge Dame, die bei „Mer schenken der Ahl e paar Blömsche“ mit Tränen in den Augen einen Gruß gen Himmel schickt. Da! Erwischt! Mir wird klar, dass dies die erste Arena-Show ist, wo meine Mutter nicht mehr dabei sein kann, weil sie im Dezember verstarb. Jetzt konzentrier dich, Björn.
Sehr viele Kinder sind dieses Jahr dabei, was mich besonders glücklich macht, weil das die Zukunft der kölschen Sprache, und klar, auch der kölschen Musik ist. Sie singen mit, was das Zeug hält. Sie strahlen, wie nur Kinderaugen strahlen können. Ob sie immer wissen, was sie singen? Völlig egal. Mittendrin mein kleiner Sohn Benjamin. Und schon geht das nächste Kopfkino los. Er ist drei Wochen vor meiner allerersten „Kölle singt“-Show im Jahr 2016 auf die Welt gekommen. Damals stillte meine Frau ihn in der Garderobe und hat nicht mal ein Drittel meines bis dato größten Konzertes mitbekommen. Jetzt stehen die beiden da, jubeln mir zu, und der Kleine wird langsam groß und freut sich, wenn Papa von der Bühne kommt, seine Hand nimmt – so wie immer – und wir gemeinsam aus der Arena in die Katakomben verschwinden. „Du warst super, Papi!“.
Foto: Dirk Loerper
Und dann der Moment, wo ER auf die Bühne kommt. Der Mann, ohne den ich niemals der Mensch wäre, der ich heute bin: Wolfgang Niedecken. Das Album „Amerika“ seiner Band BAP war im Sommer 1996 für mich die Kerninspiration dessen, was ich heute glücklicherweise machen darf. Ohne ihn wäre mein Leben anders verlaufen. Es tat gut, ihm das nach der Show in der Garderobe zu erzählen.
Wolfgang Niedecken zeichneten wir aus für sein Lebenswerk, im Gegenzug sang er zwei Songs und wurde extrem abgefeiert. Das Arena-Dach drohte abzuheben! Wow! Bei den Proben fragte er, ob ich „Jraaduss“ mit ihm im Duett singen wolle. Welch eine Frage! Diesen Song, den ich schätzungsweise gut tausendmal in den letzten zwanzig Jahren auf der Bühne performte, mit ihm in diesem Rahmen zu singen, war mein absolutes Highlight. Plötzlich waren mir meine Eltern wieder ganz nah, als hätten sie sich kurz aus dem Himmel nach Deutz gebeamt, um stolz ihren Sohn zu sehen in einem seiner glücklichsten Bühnenmomente.
Ja, die Show macht was mit mir. Diese Flut an Gefühlen hält lange an und bringt mich immer wieder zu einem glücklichen und zufriedenen Lächeln. Was ein Segen, welch eine Ehre, dass ich so etwas erleben darf. Ich bin zutiefst demütig und dankbar dafür.
Aber gleichzeitig frage ich mich spätestens zwei Tage später auch wieder: Wie soll man das noch toppen? Lasst euch überraschen, ich habe da schon so ein paar Ideen. Karten für „Kölle singt 2024“ gibt es schon.
Bes die Daach,
üre Björn